Anthroposophische Begriffe von A-Z

Entdecken Sie die Welt der Anthroposophie: Eine Auswahl ungewöhnlicher Ideen, Fachbegriffe und -ausdrücke, die Kennern geläufig, und vielen rätselhaft sind. Eine kleine Einführungstour für Interessierte.

Anthroposophische Begriffe von A-Z

Entdecken Sie die Welt der Anthroposophie: Eine Auswahl ungewöhnlicher Ideen, Fachbegriffe und -ausdrücke, die Kennern geläufig, und vielen rätselhaft sind. Eine kleine Einführungstour für Interessierte.

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A

Eine spirituelle Bewegung mit philosophischer Grundlage und sozialer Ausrichtung, die von Rudolf Steiner gegründet wurde. Sie umfasst ein breites Spektrum an Konzepten, die sich mit geistigen Themen und praktischen Feldern wie Pädagogik, Landwirtschaft oder Medizin befassen. Nachdem Steiner ab etwa 1902 für seine Weltsicht, damit an eine ältere Tradition anknüpfend, den Begriff Theosophie verwendet hatte, ersetzte er diesen später durch den Begriff Anthroposophie. 

Der Name leitet sich aus den beiden Begriffen Anthropos (Mensch) und Sophia (Weisheit) ab und lässt sich mit „Weisheit vom Menschen“ übersetzen. Der Schweizer Philosoph, Sozialreformer und Mediziner Ignaz P. V. Troxler und andere Denker brachten diesen Begriff schon Jahrzehnte vor Steiner ins Spiel.

Eine komplementärmedizinische und integrative Herangehensweise, die bewährtes medizinisches Wissen mit anthroposophischen Einsichten und Therapieansätzen verbindet und eine ganzheitliche Interaktion von Körper, Seele und Geist betont. 

Gegründet wurde sie 1920 von Rudolf Steiner gemeinsam mit der Ärztin Ita Wegman. In den meisten Städten gibt es heute Praxen für anthroposophische Medizin, außerdem arbeitet eine Reihe von Kliniken in Deutschland und der Schweiz auf dieser Grundlage. Für die anthroposophische Medizin wurden spezielle Heilmittel und Therapien entwickelt, die sich bewährt haben und von vielen Patientinnen und Patienten geschätzt werden.

In der Anthroposophie die Bezeichnung für ein zum Bösen verführendes geistiges Prinzip. Für Steiner gibt es allerdings nicht nur eine Kraft, die den Menschen verführen möchte, sondern gleich zwei Kräfte, die aus unterschiedlichen Richtungen an ihn herantreten: Während das ahrimanische Prinzip den Menschen verhärten und zu fest an irdische Verhältnisse fesseln will, gibt es eine andere Kraft, die zur Schwärmerei und Loslösung von eben diesen verführt. Letztere nennt Steiner Luzifer. Aufgabe des zwischen beide Versuchungen gestellten Menschen ist es, eine Kultur der Mitte zu entwickeln und zu halten. 

Diese Idee hat in der Kunst, in Science-Fiction- oder Fantasy-Filmen auch der jüngeren Zeit Spuren hinterlassen. So ließen sich beispielsweise Michael Ende für die „grauen Männer“ in Momo oder Gorge Lucas für die Figur des Darth Vader in Star Wars von Steiners Ideen inspirieren. 

Ein aus dem Sanskrit stammendes Wort für ein geistiges Weltgedächtnis, in dem die Spuren sämtlicher Ereignisse der Weltevolution eingeschrieben sind. Eine solche „Chronik“ entzieht sich jeder Vorstellungskraft, wobei Ideen eines allumfassenden „Lebensbuches“ durchaus auch in den großen Religionen und bei bedeutenden Autoren wie Plotin, Paracelsus oder C. G. Jung vorkommen. Steiner gab an, in dieser Chronik auf übersinnliche Weise „lesen“ zu können und sie zum Beispiel zur Klärung weit zurückliegender Geschehnisse heranzuziehen. Ein Thema eher für Fortgeschrittene.

Rudolf Steiner benutzte diesen Begriff vor über 100 Jahren. Deshalb muss er im historischen und fachlichen Kontext verstanden werden. In der modernen Systembiologie spricht man von „organismischen Systemen“, die ein Gleichgewicht der körperlichen Funktionen erhalten (Homöostase). In der Anthroposophie wird der Ätherleib als eine energetisch-lebensvolle Instanz in Pflanze, Tier und Mensch betrachtet, die den physischen Körper erhält und belebt. Von einem speziellen Ätherleib im Unterschied zum physischen Leib zu sprechen bedeutet, dem lebendigen Körper eine eigene Seins-Ebene zuzuerkennen. Ähnlich war bereits in der Antike (etwa bei Aristoteles) von einer „Pflanzenseele“ oder im 19. Jahrhundert von einer „Lebenskraft“ die Rede; die chinesische Medizin spricht vom „Chi“.

Dieser Begriff wird heute umgangssprachlich meist ironisch verwendet, um einen schönen oder auch durchtrainierten Körper zu bezeichnen. 

Der Begriff stammt ursprünglich aus der Tradition der Theosophie und bezeichnet eine qualitative Dimension der menschlichen Organisation: einen eigenständigen Empfindungs- oder Gefühlskörper, der zum Bestand der sogenannten Wesensglieder zählt (siehe auch: Menschenbild). Der Astral- oder Empfindungskörper ist nicht physischer, sondern feinstofflicher Natur und kann als eine Schicht aufgefasst werden, in der alle menschlichen Gefühlspotenziale und -prägungen organisiert sind.

B

Eine Anbauweise, die von Steiner 1924 auf Anfragen von Landwirten entwickelt wurde und spirituelles Verständnis mit praktischen landwirtschaftlichen Techniken verbindet. Etliche Landwirte und Großgrundbesitzer sorgten sich damals wegen der aufkommenden industriell-chemischen Anbaumethoden um die Zukunft der Böden. Sie suchten nach innovativen Perspektiven, die die Bodenvitalität stärken könnten. 

Steiner hatte sich lange mit Goethes botanischen Ideen beschäftigt und machte sie für die Landwirtschaft fruchtbar. Von zentraler Bedeutung ist hier das Kreislaufprinzip. Die biologisch-dynamische Landwirtschaft betont ganzheitliche Ansätze zu Bodengesundheit, Pflanzenwachstum und Tierwohl. Aus diesem Impuls entwickelte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts die Demeter-Bewegung, die heute als Bio-Pionier mit den höchsten Standards anerkannt ist.

C

Aus dem Hinduismus bekannte und von Steiner aufgegriffene Lehre von seelischen Organen, die im Menschen angelegt sind und durch eine gezielte Schulung aktiviert werden können. 

Diese Wahrnehmungsorgane sind keineswegs nur esoterisch zu interpretieren; Steiner beschreibt vielmehr konkrete seelische Stimmungen und Tugenden, die zur Entwicklung der sieben menschlichen Chakren führen können. Diese spirituelle Praxis kann zu einer intensiveren Verbindung mit wahrgenommenen Welterscheinungen führen. – Näheres dazu ist ausgeführt in Steiners Buch Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?. 

Auf einen Kreis von Reformtheologen zurückgehende und unter Beteiligung Rudolf Steiners 1922 gegründete Bewegung für religiöse Erneuerung. Sie hat vielfach Anregungen aus der Anthroposophie und insbesondere aus Steiners Christus-Begriff aufgegriffen. 

Von den beiden Großkirchen wird sie nicht als gleichwertig akzeptiert. Die Christengemeinschaft ist jedoch in Deutschland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, hat den Status einer unabhängigen Kirche mit eigenem Kultus und spezifischen Sakramenten. Sie hat Gemeinden in vielen Ländern der Erde und verfügt über eine autonome Organisationsstruktur mit Hauptsitz in Berlin.

Mit seiner Christologie knüpft Steiner sowohl an die griechische Logos-Lehre als auch an die Überlieferungen der Evangelien an und geht gleichzeitig über sie hinaus. Steiner, selbst ursprünglich Katholik, verstand den Christus als Prinzip und Wesen, auf das die gesamte geschichtliche Entwicklung der Menschheit orientiert ist – der Schöpfer als Mensch und der Mensch als potenzieller Gott. 

Den Mittel- und Wendepunkt dieser Entwicklung bilden den Tod am Kreuz und die Auferstehung, was anthroposophisch auch als „Mittelpunktsereignis“ bezeichnet wird. Das Neugeboren-Werden des Göttlichen nach dem Tod gab es als Motiv auch in vielen antiken Mysterientraditionen. Für Steiner war jedoch das Sterben und Wiederauferstehen des Christus als öffentlicher Vorgang sozusagen vor den Augen der Geschichte eine „mystische Tatsache“. 

Steiner sieht den Christus als das geistige Ich der ganzen Menschheit, das mit ihr und mit der zukünftigen Evolution der Erde verbunden bleibt. Hier weicht Steiner deutlich von den konfessionellen Lesarten des Christentums ab, wobei er auch eine überkonfessionelle und überreligiöse Wirksamkeit des Christus-Prinzips für wichtig hielt. – Im täglichen Leben kann das Bemühen um einen Ausgleich der Extreme und ein Leben aus der Mitte heraus als verwandt mit der Christus-Kraft erlebt werden. 

D

Im Rahmen seiner Lehre von der Dreigliederung des sozialen Organismus wies Steiner das demokratische Prinzip dem politisch-rechtlichen Sektor zu. Mehrheitsabstimmungen hielt er für etwas Selbstverständliches und eine notwendige Errungenschaft der Moderne. Die mitunter vorgebrachte Kritik, Steiner habe die Demokratie abgelehnt, ist nicht haltbar und bezieht sich vermutlich darauf, dass Steiner in anderen Gebieten des sozialen Ganzen wie der Kultur Mehrheitsentscheidungen nicht für zielführend hielt. Demokratische Mehrheitsentscheidungen wie auch grundsätzlich politische Vorgaben laufen der Freiheit des Geisteslebens zuwider. 

Anthroposophen und Anthroposophinnen haben sich vielfach in demokratischen Prozessen engagiert, unter anderem bei der Gründung der Partei Die Grünen. Die unter Beteiligung von Anthroposophen entstandene Initiative „Mehr Demokratie“ setzt sich heute für eine Weiterentwicklung demokratischer Beteiligung in Richtung Volksabstimmungen und Bürgerräte ein.

Dachorganisation und Markenname für biologisch-dynamisch arbeitende Betriebe und entsprechende Produkte. Die Bezeichnung geht auf die griechische Fruchtbarkeitsgöttin Demeter zurück (siehe auch: Biologisch-dynamische Landwirtschaft).

E

Übersinnliche, rein geistig existierende und mit dem Menschen verbundene Wesen, die in fast allen Religionen bekannt sind und auch in Steiners Vorträgen und Schriften sowie bei vielen anthroposophischen Autorinnen und Autoren eine Rolle spielen. Die konkrete Vorstellung einer personifizierten geistigen Welt ist gegenwärtig für viele eine Zumutung, ja eine Provokation, da eine solche Weltsicht scheinbar einem rationalen Denken wiederspricht.

Steiner bezog sich in seinen Schilderungen oft auf die Engellehre des Dionysios Aeropagita, eines frühchristlichen Autors, der die aus den biblischen Überlieferungen bekannten Engelwesen in eine hierarchische Ordnung gebracht hatte. 

Besonders bezeichnend für die Anthroposophie ist die konkrete Annahme eines persönlichen Engelwesens für jeden Menschen sowie von höhergestellten Engeln, die für die je eigene geistige Qualität eines Kulturzusammenhangs (sogenannte Volksgeister) oder auch eines ganzen Zeitalters („Zeitgeist“, siehe auch: Michael) stehen. 

Für Steiners Denken und Wirken und später für dasjenige vieler Anthroposophen und Anthroposophinnen sind die Ideen von Evolution und Entwicklung zentral. Beispielsweise gehörte Steiner zu den damals noch eher seltenen entschiedenen Verteidigern der Darwin‘schen Evolutionstheorie, die in Deutschland durch den Naturforscher Ernst Haeckel vertreten wurde und sich gegen kirchliche Autoritäten und gesellschaftliche Widerstände durchsetzen musste. 

Eine Grundidee der Anthroposophie liegt darin, dass die Erscheinungsformen des Kosmos, des Sonnensystems und der Erde mit all ihren Gebilden Ergebnis von Ideen sind, die sich im Laufe der stufenweisen Entwicklung immer mehr ausprägen. 

So ist beispielsweise der Mensch eine Grundidee, die bereits mit Beginn der Evolution angelegt ist. Aber die Ebenen des Physischen, Lebendigen, Seelischen und Geistigen treten im Sinne von Emergenzstufen erst nach und nach evolutionär in Erscheinung – fast so wie bei einem Künstler, der die Idee seines Kunstwerks erst im Tun begreift und herausarbeitet. 

„Für den Begriff der Esoterik gilt wie kaum für einen andren, dass die in den Medien und der Öffentlichkeit verwendeten Attribute keineswegs denen entsprechen, die in der wissenschaftlichen Forschung diskutiert werden“, schreibt der Religionswissenschaftler Kocku von Stuckrad. 

Esoterik ist weder etwas „Gefährliches“ noch hat sie mit Geheimniskrämerei zu tun. Vielmehr bezeichnet sie seit der Antike Strömungen, die, stets neben den etablierten Wissenspfaden und teilweise von ihnen bekämpft, das geistig „Innerliche“ (so der Wortsinn von Esoterik) verstehen und sichtbar machen wollen. 

Während esoterische Strömungen jedoch eine Verbreitung ihrer Kenntnisse bis in die frühe Neuzeit hinein nur für engste exklusive Kreise vorsahen, setzten sich Steiner und viele Anthroposophen und Anthroposophinnen nach ihm für die Veröffentlichung des früher als exklusiv geltenden esoterischen Wissens ein. 

Gleichzeitig zeigte Steiner Wege und Methoden, wie Interessierte durch Übung – zumindest anfänglich – selbst esoterisches Wissen oder ein besseres Verständnis davon erschließen können (siehe auch: Schulungsweg).

Anders als die meisten Ausdruckformen des modernen Bühnentanzes versteht sich die von Steiner begründete Eurythmie als „sichtbare Sprache“ und „sichtbarer Gesang“. Sie will nicht in erster Linie Gefühle zu Worten und Musik zum Ausdruck bringen, sondern will Gesetzmäßigkeiten des Zusammenklangs von Sprache bzw. Musik mit der subtilen menschlichen Leiblichkeit im Raum sichtbar machen.

Eurythmie hat sich seit ihrer Gründung zu einer vielfältigen Bühnenkunst entwickelt und findet ihren Einsatz auch im Schulunterricht sowie in therapeutischen Kontexten (Heileurythmie/Eurythmietherapie).

In nahezu allen indigenen Kulturen sind Narrative bekannt, welche die Natur von realen Wesen belebt darstellen. Alles ist hier von Geistern durchwoben. Auch in Europa waren Bilder von Elfen, Zwergen und anderen Wesen bis in die Goethezeit hinein verbreitet. Manche Menschen sind auch heute überzeugt, Zugang zu einer solchen Welt zu haben. Filme wie Avatar, in denen die Stimmung einer geistigen Verbundenheit zwischen Natur und Mensch beschrieben wird, erreichen ein großes Publikum.

In der Anthroposophie will man mit dem Begriff „Elementarwesen“ auf die von Geist belebte Schicht in der Natur hinweisen; Steiner knüpfte an das Wissen um Wesen wie Gnome, Sylphen und Undinen an, ohne zu einem naiven Naturaberglauben zurückkehren zu wollen. So betonte er auch, dass diese Wesen keinen stofflichen Körper haben und man sie nicht allzu gegenständlich verstehen sollte. Steiner wollte vielmehr zu einem vertieften Dialog mit den Wesen der Natur anregen unter der Voraussetzung, dass nicht nur der Mensch die Natur, sondern dass auch die Natur den Menschen braucht. So sagte Steiner über die Elementarwesen unter anderem: „Wir müssen ihnen wiederum zurückgeben, was sie uns einst gegeben haben. Das können wir nur, wenn wir das Bildhafte in den Naturwesen suchen, das, was nicht nur totem Verstandesurteil zugänglich ist, sondern was dem vollen Leben zugänglich ist, was der Empfindung zugänglich ist.“ Insofern kann das Rechnen mit einer solchen Wirklichkeitsschicht auch als Beitrag einer spirituellen Tiefenökologie verstanden werden.

F

Der Begriff der Freiheit, ihre Begründung, ihre Bedeutung für den Menschen sowie ihre Stellung in der Evolution ist ein zentrales Element der Philosophie Rudolf Steiners. In seinem Hauptwerk, der an den deutschen Idealismus angelehnten Philosophie der Freiheit (1894), stellt er die beiden Grundbedingungen der Freiheit dar: Zum einen kann es Freiheit nur in einer Wirklichkeit geben, die für den Menschen erkennbar zugänglich ist. Zum anderen ist Freiheit genau dann möglich, wenn das Handeln alle vorgegebenen Ursachen für menschliches Verhalten (Triebe, Konventionen usw.) übersteigt und sich zu Aktivitäten aus Einsicht und freiem Entschluss befähigt.

Neben dieser menschlich-existenziellen Dimension der Freiheit hat Steiner später auch nach ihrer kosmischen Rolle gefragt: Demnach ist Freiheit eine Qualität, die überhaupt erst durch die menschliche Aktivität in der Welt entsteht. Der Mensch gibt erst durch die Entfaltung der Freiheit sich selbst und auch dem Ganzen der Evolution einen Sinn. 

Denn nicht nur den Pflanzen und Tieren, auch den über dem Menschen stehenden geistigen Wesen ermangelt es an der Freiheit – weder Tier noch Engel können sich frei entscheiden. Die höchste Erfüllung findet die Freiheit im freien Entschluss zur Liebe, die über das Individuum hinausgeht. 

G

Von Steiner oft alternativ gebrauchte Bezeichnung zunächst für die Theosophie und dann für die Anthroposophie, nicht zu verwechseln mit den im akademischen Bereich gemeinten Geisteswissenschaften. Mit der Begriffsbildung einer Geisteswissenschaft verband Rudolf Steiner den Anspruch, den im menschlichen Denken erfahrbaren Geist und seine Beziehung zur Welt zu erforschen, ihn mit denkerischen und kontemplativen Mitteln zu untersuchen und darzustellen. Dass sich solche Themen nicht auf naturwissenschaftliche Weise durch Experimente bzw. Analyse von Sinnesdaten untersuchen lassen, ergibt sich daraus von selbst.

Was macht die Welt schön? Diese Frage lässt sich nicht materiell klären, wohl aber ästhetisch. Wer wahrnehmen kann, dass die ihn umgebende Welt nicht nur physikalisch zu erklären ist, für den tritt das Lebendige in seiner Eigenständigkeit neu hervor und es stellt sich auch die Frage nach der Beseeltheit und dem Geistigen in der Natur. Viele Anthroposophen und Anthroposophinnen versuchen daher, sich einen neuen Blick auf Pflanzen und Tiere erschließen. 

Das Lebendige steht für Steiner im Austausch mit einer wesenhaften Atmosphäre. Letztere bildet sich aus elementaren Kräften, die dem Wasser oder der Luft zugeordnet sind. Den Tieren sprach Steiner nicht nur eine einzelne Seele zu, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer ihnen gemeinsamen Gattungsseele. Die künstlerische Interpretation solcher Naturwesen sind durch Fantasy-Darstellungen wie etwa in den Geschichten zu Harry Potter (Hauselfen!) in jüngerer Zeit wieder populär geworden. 

Im Gegensatz zur materialistisch eindimensionalen und abstrakt gedachten geistigen Dimension der Welt entsteht bei Steiner das Bild einer vielfältig gegliederten, real von Geist durchzogenen und getragenen Wirklichkeit. Darüber hinaus nimmt Steiner unabhängig von der menschlichen geistigen Aktivität bestehende geistige Wesen und eine eigene geistige Welt an (siehe auch: Engel). 

Eine an Goethe und seine „anschauende Urteilskraft“ angelehnte Forschungsrichtung vornehmlich im Bereich der erweiterten Naturwissenschaften. Der Goetheanismus sieht sich in der Tradition der Phänomenologie. In diesem Sinne wollen goetheanistische Forscherinnen und Forscher der Natur keine Ideen überstülpen, sondern die Phänomene auf eine Weise anschauen, in der sich geistige Gesetzmäßigkeiten aussprechen können.

Von Steiner entworfenes und als zentraler Bezugspunkt der anthroposophischen Bewegung dienendes Gebäude in Dornach bei Basel. Das heutige, aus Stahlbeton gefertigte Bauwerk steht an der Stelle, wo bis zur Silvesternacht des Jahres 1922 das ursprüngliche, aus Holz errichtete Goetheanum stand, das einer Brandstiftung zum Opfer fiel. 

Das dem großen deutschen Dichter und Forscher gewidmete Goetheanum dient als Aufführungsort für unterschiedlichste Bühnenkünste sowie für Tagungen aller anthroposophischen Fachgebiete. Es ist außerdem Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft sowie der Hochschule für Geisteswissenschaft mit ihren Fachbereichen – der ersten Crowd-finanzierten Hochschule weltweit. Das Bauwerk gilt heute als ein Zeugnis avantgardistischer Architektur des 20. Jahrhunderts. 

H

In seinen vermächtnishaften Leitsätzen deutete Steiner den Beginn einer Zeit an, in der „die Herzen beginnen, Gedanken zu haben“. Damit meinte er eine Weiterentwicklung des menschlichen Intellekts, der für die Moderne aufgrund seiner Bewusstseinsschärfe mit Recht prägend ist, aber auch zu Vereinseitigungen in Richtung einer kalten Verstandestätigkeit neigt. Die Verbindung klaren Denkens mit der Wärme des Herzens stellt für Steiner eine Zukunftsaufgabe dar, die zu einer neuen Bewusstseinsqualität führt.

Leicht misszuverstehender Begriff, der die Erweiterungsmöglichkeit des Erkenntnisvermögens in Richtung eines rein geistigen Wahrnehmens meint. 

Sinngemäß wird mit dieser sprachlichen Redewendung auf einen Erkenntniszustand hingewiesen, der heutzutage insbesondere in westlich geprägten Kulturen eine Ausnahmesituation darstellt: das In-eins-Fallen von Wahrnehmung und denkendem Verstehen. Es gibt in der deutschen Sprache viele sprachlich verwandte Begriffe, etwa „Durchblick“ oder „Einsicht“, die Ähnliches andeuten. 

Hellsicht war früher besonders in ländlichen Gegenden ein durchaus verbreitetes Phänomen. Traditionelle Formen von Hellsichtigkeit wie die Voraussage künftiger Ereignisse oder Totenerscheinungen, von denen die Betroffenen meist überwältigt werden, hat Steiner jedoch als nicht mehr zeitgemäße, „atavistische“ Formen des Hellsehens kritisiert. Stattdessen setzte er auf kontrollierbare Wege, die eigenen Erkenntnisfähigkeiten zu entwickeln (siehe auch: Schulungsweg). 

I

Das Ich wird in der Anthroposophie als Persönlichkeits-Zentrum des menschlichen Wesens gesehen. Bezüglich der Bedeutung dieses Ich gibt es Verbindungen sowohl zur Philosophie des deutschen Idealismus (Fichte) als auch zur modernen personzentrierten Psychologie.

So selbstverständlich es scheint, dass jeder Mensch ein Ich-Wesen ist, so sehr entzieht sich dieses Ich gleichzeitig jeder Vergegenständlichung. Teile der Neurophilosophie bestreiten sogar die Existenz eines autonomen Ichs („Egotunnel“). Dennoch bildet die Instanz des Ich weiterhin eine essenzielle Voraussetzung etwa als Ausgangspunkt für die Grundrechte des Individuums und für juristische Verantwortlichkeit.

Zum Rätselhaften des Ich gehört, dass dieses Wort nur jeder Mensch zu sich selbst sagen kann. Im menschlichen Leben tritt diese Fähigkeit meist zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr erstmals auf. Ichhaftigkeit als Qualität beruht immer auf einem Akt der Selbsterfassung und Selbstidentifizierung.

Das Ich ist nicht zu verwechseln mit dem „Ego“, das die subjektive Eingeschränktheit des Menschen meint. Im geistigen Sinne weist das Ich vielmehr auf dasjenige, was wie in einer Essenz die Individualität eines Menschen enthält. „Dieses Ich ist der Mensch selbst“, schreibt Steiner demzufolge in seinem Grundlagenwerk Theosophie. Im Ich ist alles zusammengefasst, mit dem sich ein Mensch im Laufe seines Lebens verbindet und was als das Unsterbliche Träger der Inkarnationen über das eine Leben hinaus ist.

J

Die Gliederung der menschlichen Biografie in Abschnitte von sieben Jahren ist ein Bestandteil des anthroposophischen Menschenbildes, analog zu Erik H. und Joan Eriksons psychologischem Stufenmodell. Sie ist kein starres Konzept, sondern will als Hinweis auf unterschiedliche Entwicklungsqualitäten verstanden werden und spielt für die Pädagogik, aber auch für die biografische Beratung eine Rolle. 

Für die anthroposophische Biografiearbeit sowie für die Medizin bieten auch die Jahrsiebte bis ins hohe Alter hinein eine Möglichkeiten, psychische, soziale und geistige Entwicklungspotenziale besser zu verstehen. Die Einteilung in Jahrsiebte kann leicht etwas Schematisches annehmen, deshalb ist hier eine gewisse Vorsicht geboten. Durch veränderte Reifungszeiten (zum Beispiel Eintritt der Schulreife oder beginnende Pubertät) sind die Einheiten von sieben Jahren heute mehr als Annäherung zu verstehen und stellen keine starren Begrenzungen dar. Mit „Zahlenmystik“ hat das Konzept der Jahrsiebte nichts zu tun.

K

Der von einigen Medien geprägte und abschätzig gemeinte Begriff spielt auf die Herstellung bestimmter Präparate in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft an. Dabei werden Kuhhörner mit einer Mischung aus Dung und verschiedenen natürlichen Zusätzen gefüllt, für längere Zeit vergraben und anschließend mit Wasser verdünnt auf die Felder verteilt. 

Was sich für Außenstehende leicht für eine Verballhornung anbietet, hat sich in der Praxis inzwischen als Maßnahme der Vitalisierung bewährt und konnte in seiner positiven Wirksamkeit auf die Bodenfruchtbarkeit teilweise auch schon in Vergleichsversuchen belegt werden. 

In jedem Menschen lebt ein geistiger Kern („Ich“), der schon vor der Geburt existierte und nach dem Tod weiterbestehen wird. Dieses unsterbliche „Ich“ verwirklicht sich im Sinne der Anthroposophie im wiederholten Durchgehen durch Geburt und Tod, also im Prinzip der Reinkarnation. Im Unterschied zur östlichen Reinkarnationslehre sieht die Anthroposophie dabei als letztes Ziel der Wiedergeburten nicht die Auflösung des Ich in einem All-Einen an, sondern die Entwicklung des menschlichen Wesenskerns in wiederholten Erdenleben zu immer größerer Reife. Mit diesem an Vordenker wie Gotthold E. Lessing anknüpfenden Reinkarnationsverständnis hat Rudolf Steiner seinen philosophischen Individualismus konsequent in spirituellen Bereichen fortgesetzt. 

Auch das Prinzip des Karmas, wonach der Mensch in einem folgenden Leben mit den Konsequenzen eines früheren Lebens zu tun hat, sieht die Anthroposophie in einem Entwicklungszusammenhang: Karmische Folgen haben allerdings aus anthroposophischer Sicht nicht den Charakter von Belohnungen bzw. Strafen für früheres Verhalten und das Karma ist kein ehernes Gesetz. Im Sinne des Karma-Gesetzes von Ursache und Wirkung wird keineswegs Gleiches mit Gleichem vergolten, auch wenn Kritiker dies immer wieder behaupten. Vielmehr ist es der nachtodlich auf sein Leben zurückblickende Mensch selbst, der sich angesichts vergangener Verfehlungen oder Versäumnisse für das vor ihm liegende, künftige Leben „Guttaten“ (so ein Ausdruck Steiners) vornimmt, um sein „karmisches Konto“ auszugleichen. Ebenso wichtig erscheint das konstruktive Anknüpfen an gelungene Episoden für ein nächstes Leben. Laut Steiner gibt es kein Schicksal im Sinne eines Fatalismus, weil es letzten Endes immer auf die Freiheit ankommt, mit der ein Mensch sein Karma ergreift.

In der heutigen Alltagskultur, in der Werbung und in Buchtiteln (Mieses Karma) wird der Begriff inzwischen oft flapsig, dabei jedoch meist positiv konnotiert verwendet. 

Ähnlich wie die modernen Naturwissenschaften die Entstehung des Kosmos aus einer evolutionären Perspektive heraus erforschen, sieht Rudolf Steiner auch eine geistige Evolution des Kosmos. So beschreibt er etwa, wie den Anfang allen Werdens ein reiner Wärmezustand bildete; feste Stofflichkeit habe sich erst nach und nach aus anderen Zuständen herauskristallisiert. 

Für Steiner ist die kosmologische Entwicklung von vornherein auf das Auftreten des Menschen hin orientiert. Vorstufen der heutigen Erd-Zustände haben demnach die Bedingungen für die geistige, gefühlsmäßige, lebendige und physische Dimension des Menschen gelegt. Für die Zukunft beschreibt Steiner mögliche Zustände der Erde, die wieder den Charakter einer Vergeistigung haben. 

In umfassender Weise ist dieses Evolutionsverständnis in Steiners Werk Die Geheimwissenschaft im Umriss niedergelegt. Der heute seltsam klingende Titel erklärt sich übrigens dadurch, dass es damals ein in der theosophischen Bewegung dominantes Werk mit einem ähnlichen Titel gab, zu dem Steiner eine Alternative anbieten wollte.

Dieser Begriff meint in der Anthroposophie die Einteilung der Geschichte in bestimmte Großzeiträume, deren Abfolge einer gerichteten, aufsteigenden Bewusstseinsentwicklung folgt. Steiner entwickelte diese Gliederung in einer Verbindung von idealistischer Geschichtsphilosophie (G.W.F. Hegel) und theosophischer Typologisierung. Einer Siebener-Struktur folgend, gab es für Steiner zwei vorgeschichtliche Kulturepochen, die nicht in unmittelbaren Zeugnissen, sondern nur in ihren Wirkungen feststellbar sind („ur-indische“ und „ur-persische“ Epoche). Mit der dritten Epoche, der „chaldäisch-ägyptischen“, beginnt sich Steiners Einteilung mit der etablierten Geschichtswissenschaft zu berühren, die mit jenen frühen Hochkulturen die eigentliche Kulturgeschichte der Menschheit beginnen lässt. Steiner beschreibt für jede dieser Epochen eine dominante Bewusstseinsverfassung. Während für die dritte Kulturepoche das Leben in Empfindungen vorherrschend war („Empfindungsseele“), beginnt mit der vierten, „griechisch-römischen“ Epoche im Sinne Steiners eine vom Verstandesdenken geprägte Phase („Verstandesseele“). Diese wird seit dem 15. Jahrhundert durch eine sich weltweit ausbreitende Kultur abgelöst, die laut Steiner immer mehr auf eine Selbsterfassung des Bewusstseins („Bewusstseinsseele“) ausgerichtet sein wird. 

Kritiker, auch innerhalb der Anthroposophie selbst, sehen diese Gliederung der Geschichte heute als zu eng und als zu europäisch zentriert an und bemühen sich um Erweiterungen dieser Epochengliederung.

L

Als Realbild des Lebendigen gilt der in allen seinen Gliedern zusammengehörende, sich selbst bestimmende Organismus. Analog dazu verstand Steiner auch das Denken selbst als einen Organismus, dessen einzelne Teile sich durch einander bestimmen, indem jeder Begriff mit jedem anderen in bestimmter Weise zusammenhängt und indem sich Begriffsinhalte gegenseitig erklären. 

Ein an dieser Wesen-Eigenart orientiertes Denken kann auch als lebendiges Denken bezeichnet werden, insofern es darauf bedacht ist, Gedanken nur gemäß dem organischen Zusammenhang des Denkens selbst zu entwickeln und nicht auf Schlüsse oder bloße Spekulationen zurückzugreifen. Denken, welches das Lebendige ergreift, wird selbst lebendig. Wenn sich das Denken dann noch seiner selbst bewusst wird und bemerkt, dass es ein selbsttragendes Gewebe darstellt, steht man mit dem lebendigen Denken im Vorhof einer übersinnlichen Erfahrung. Steiner war überzeugt davon, „dass richtig erlebtes Denk-Erleben schon Geist-Erleben ist“.

Geistiges Versucherwesen, das den Menschen zur Erdflüchtigkeit und Schwärmerei bringen will (siehe als Gegenspieler auch: Ahriman).

M

Obwohl eine Vielzahl unterschiedlicher meditativer Impulse auf Rudolf Steiner zurückgeht, fällt es schwer, von einer spezifischen oder einheitlichen Form anthroposophischer Meditation zu sprechen. Steiners Anregungen reichen von bildhaften Vorgaben wie der Meditation eines innerlich bildhaft vorgestellten Kreuzes mit sieben Rosen (Rosenkreuz) bis hin zu rein gedanklichen Sätzen. 

Darüber hinaus hat Steiner zahlreiche mantrische Sprüche entwickelt, die bis heute von Anthroposophen und Anthroposophinnen und überhaupt von meditativ Interessierten als Übungsgrundlage genommen werden. 

Auch eine Meditation, bei der über ein in der Hand liegendes Samenkorn meditiert wird, ist Teil des vielfältigen „Übungsarsenals“ der Anthroposophie. Die Vielfalt der meditativen Anregungen lässt Spielraum für jeden einzelnen Menschen, etwas für sich und seine Bedürfnisse Passendes zu finden. 

Das Menschenbild der Anthroposophie zeichnet sich durch vielfältige Gliederungen aus, die dem auf ganz unterschiedliche Weise mit der Wirklichkeit verflochtenen Menschen gerecht werden wollen. Dabei sind je nach Perspektive unterschiedliche Modelle entstanden. Zunächst kommt eine Viergliederung des Menschen in Betracht: So wie die Wesen der Welt aus Physischem, Lebendigem, Seelischem und Geistigem geschichtet sind, verhält es sich auch mit dem Menschen, der in physischen Leib, Lebensleib (auch Ätherleib), Empfindungs- oder Astralleib sowie Geist-Ich zu gliedern ist. Noch elementarer ist die dreifache Unterscheidung des Menschen in Leib, Seele und Geist. – Eine nochmals anders angelegte Perspektive unterscheidet im Menschen drei unterschiedliche körperliche Systeme, denen zugleich seelisch-geistige Funktionen zugeordnet sind: das Nervensystem dem Denken, das rhythmische System (Herz und Lunge) dem Fühlen und das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System dem Wollen. Wenn man noch die höheren und zukünftig erst zu entwickelnden Wesensglieder hinzunimmt, entstehen noch komplexere Gliederungen. 

Jeder dieser Gliederungsansätze stellt den Versuch dar, die Verbindung von Mensch und Welt sowie Geist und Körper auf differenzierte Weise zu verstehen. Das differenzierte Menschenbild der Anthroposophie hat darüber hinaus auch für die Praxisfelder der Anthroposophie wie Medizin und Pädagogik seine Bedeutung, wo es um das gesunde Zusammenwirken der unterschiedlichen menschlichen Ebenen geht.

Im Sinne Rudolf Steiners steht jedes geistige Zeitalter der Geschichte für die Herausbildung einer bestimmten Bewusstseinsqualität. Für das gegenwärtige Zeitalter besteht diese Qualität in der Weiterentwicklung der seit der Moderne vorherrschenden Intellektualität, die in Richtung einer gedanklich grundierten und freien Spiritualität weiterentwickelt werden soll. Von den abrahamitischen Religionen her ist die Lehre von den Erzengeln (Zeitgeistern) bekannt. Diese Wesen sind Steiners Darstellung nach für die geistige Charakteristik einer Epoche zuständig. Für die gegenwärtige Epoche ist demnach der oben beschriebene Zeitgeist Michael die prägende geistige Kraft. (siehe auch: Engel)

N

Die sogenannten Nebenübungen gehören zum Umfeld des anthroposophischen Schulungsweges. Es handelt sich dabei um sechs elementare Praktiken der Selbstkontrolle: Erstens die Beherrschung der eigenen Gedanken, um dem eigenen Bewusstsein die Flüchtigkeit zu nehmen. Zweitens die Selbstkontrolle der Handlungen, um das eigene Verhalten vom bloß Momenthaften und Unbewussten in Richtung des wirklich Gewollten zu entwickeln. Die dritte Stufe besteht darin, sich von den Kategorien Lust und Leid als Motivation für das eigene Verhalten unabhängig zu machen. Die vierte Übung besteht in der Einladung an Positivität, die auf das Gute im Leben setzt. Die fünfte Übung bemüht sich in allen Dingen des Lebens um Unvoreingenommenheit. Die sechste Praxis versucht, eine Harmonie aller fünf Bereiche herzustellen. 

Rudolf Steiner hat hier (in teilweiser Anlehnung an buddhistische Vorbilder) einen Kanon der Selbstermächtigung skizziert, der auch unabhängig vom Ziel der Gewinnung höherer Erkenntnisse zu mehr Lebenssicherheit und innerem Wachstum führen kann. Seit Steiners Zeiten sind solche Praktiken des inneren Wachstums auch außerhalb der Anthroposophie populär geworden.

O

Wörtlich bedeutet okkult „verborgen“ und ist eine veraltete Bezeichnung für esoterische Inhalte. Gemeint waren damit in der frühen Neuzeit zum Beispiel Astrologie, Alchemie und Magie. In der englischen Theosophie gab es noch im 19. Jahrhundert den Ausdruck „occult sciences“. 

Auch Steiner verwendete die Bezeichnung des Okkulten im Sinne der Theosophie gelegentlich für sein eigenes Selbstverständnis sowie in manchen Vorträgen und Schriften (z.B. im Vortragszyklus Die okkulten Grundlagen der Bhagavad Gita). Der Begriff erregt heute verständlicherweise Misstrauen und wird vor allem von Kritikerseite immer wieder angeführt, um Steiner in ein anrüchiges Licht zu rücken, wobei Steiner selbst nichts ferner lag als irgendwelche im Verborgenen stattfindenden Aktivitäten. In der heutigen Anthroposophie wird die Bezeichnung „okkult“ nicht mehr verwendet. 

P

Der Bezug zur Philosophie spielte für Rudolf Steiner zeitlebens eine zentrale Rolle, weil es ihm wichtig war, seine spirituell erweiterten Erkenntnisse auch gedanklich-systematisch darzustellen. Schon als Schüler setzte sich Steiner mit Kant auseinander, beschäftigte sich bald mit den Ideen von Fichte, Schelling und Hegel und wurde im Fach Philosophie an der Universität Rostock mit einer erkenntnistheoretischen Arbeit promoviert. 

Später schrieb er eine umfassende Ideengeschichte der Menschheit unter dem Titel Die Rätsel der Philosophie. Immer wieder stand Steiner auch mit Philosophen, etwa mit Eduard von Hartmann oder Max Scheler, in persönlichem Austausch oder bemühte sich, wie mit Franz Brentano, um einen Dialog.

Bis heute spielt Rudolf Steiners Philosophie als gedankliche Basis der Anthroposophie eine wichtige Rolle. Viele Inhalte der Anthroposophie sind geradezu in einem Übergangsbereich von Philosophie und Anthroposophie angesiedelt. Seit dem Jahr 2013 erscheint im renommierten philosophischen Fachverlag frommann-holzboog eine auf 16 Bände angelegte wissenschaftlich-kritische Werkausgabe der Schriften Rudolf Steiners, die sich im Verlagsprogramm neben Schriften von Schelling, Heidegger oder Freud findet. 

Q

Sie sind so vielfältig wie die geistigen Interessen und Resonanzen ihres Gründers Rudolf Steiner selbst. Für ihn war es wichtig, seine eigenen Impulse so weit als möglich an unterschiedlichste Traditionen und Strömungen anzuschließen und die Anthroposophie nicht als isoliertes Kunstgebilde in die Welt zu stellen. Deshalb findet man in seinem Werk so unterschiedliche Spuren wie den deutschen Idealismus (z.B. Fichte), die deutsche Klassik (vor allem Goethe) und die Evolutionstheorie, auf der anderen Seite aber auch Bezugnahmen auf die Philosophie eines Thomas von Aquin oder Friedrich Nietzsche. In der Spiritualität bezieht sich Steiner auf den Hinduismus (Bhagavad Gita) und den Buddhismus (siehe auch: Schulungsweg, Karma und Reinkarnation), aber auch auf die christlichen Mystiker sowie auf das Rosenkreuzertum und die Theosophie. 

Die Vielfalt dieser Bezugnahmen hat Steiner mitunter den Vorwurf des Eklektizismus eingebracht. Bei näherer Beschäftigung mit seinen Impulsen ist in diesen Bezugnahmen aber dann doch meist die eigenständige Handschrift einer aufgeklärt-individualistischen Spiritualität zu erkennen, die als eigenständiger Beitrag der Anthroposophie angesehen werden muss.

R

Während sich Widerspruch und Kritik zu Steiners Lebzeiten und nach seinem Tod zunächst vor allem an konfessionell-religiösen Themen festmachten, richteten sich Vorwürfe ab den 1990er-Jahren immer wieder gegen Steiners mutmaßlichen Rassismus. 

Diesbezügliche Vorwürfe in den Medien führten schließlich zu selbstkritischen Betrachtungen innerhalb der anthroposophischen Bewegung, die sich mit tatsächlich vorhandenen abfälligen bzw. stereotypen Äußerungen Steiners über Schwarze und indigene Menschen auseinandersetzen (z.B. www.anthroposophie-gegen-rassismus.de). Qualifizierungen, wonach die Anthroposophie als Ganze einen rassistischen Charakter habe, blieben Einzelmeinungen, denen eine Anerkennung der Anthroposophie als humanistisches Projekt gegenübersteht.

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Geboren am 27. Februar 1861 im damals österreichischen Kraljevic (heute Kroatien); Philosoph und Esoteriker, Gründer der Anthroposophie und zahlreicher darauf aufbauender Reformansätze auf Gebieten wie Pädagogik, Landwirtschaft, Medizin und Kunst. 

Steiner hatte in seiner Kindheit übersinnliche Erlebnisse (siehe auch: Hellsehen), die er mit einer philosophischen Sicht der Welt in Einklang bringen wollte. Studium an der technischen Hochschule in Wien, mit 21 Jahren Berufung zur Herausgabe von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften, Übersiedlung nach Weimar und Mitarbeit am Goethe- und Schillerarchiv. Übersiedlung nach Berlin, dort verschiedene Tätigkeiten, u.a. als Publizist und Referent an der sozialistischen Arbeiterbildungsschule, ab 1900 gleichzeitig Kontakt mit der Theosophischen Gesellschaft; Beginn einer Laufbahn als spiritueller Autor und Vortragsredner in Deutschland und Europa, ab 1911 im Rahmen der neu gegründeten Anthroposophischen Gesellschaft. 

Errichtung des Goetheanum-Baus während des Ersten Weltkriegs, nach Kriegsende Bemühungen Steiners um einen politischen Neubeginn im Sinne der Dreigliederung des sozialen Organismus. 

In seinen letzten Wirkensjahren maßgebliche Mitwirkung bei zahlreichen praktischen Reformprojekten: 1919 Gründung der ersten Waldorfschule in Stuttgart, 1920 Gründung der anthroposophischen Medizin (zusammen mit der Ärztin Ita Wegman), 1921 Mitwirkung bei der Gründung der Bewegung für religiöse Erneuerung Die Christengemeinschaft, 1924 Gründung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und der anthroposophischen Heilpädagogik. Steiner starb am 30. März 1925 in Dornach in der Schweiz.

Das Konzept eines Schulungswegs ergibt sich aus der Motivation heraus, ein tieferes Verständnis der Welt und ihrer geistigen Zusammenhänge sowie ein liebevolles Verhältnis zu ihr entwickeln zu wollen. Diesem Bedürfnis nach einer erweiterten Wahrnehmung der Dinge kommen von jeher unterschiedliche Wege der Schulung in Religionen und esoterisch-spirituellen Traditionen entgegen. 

Die Eigenart einer spezifisch anthroposophischen Schulung lässt sich aufgrund der vielfältigen diesbezüglichen Anregungen Rudolf Steiners und seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger nur schwer zusammenfassen. 

Ein einzelnes Buch zu diesem Thema gibt es von ihm nicht, seine Hinweise sind vielmehr über mehrere Werke und Vorträge verstreut. Zu seinem Verständnis von Schulung gehören aber in jedem Fall Bemühungen um eine aktive moralische Persönlichkeitsentwicklung (siehe auch: Nebenübungen) sowie die Praxis der Meditation. 

Als grundlegend empfinden viele Menschen, die der Anthroposophie nahestehen, Steiners Ermahnung, bei aller Ausrichtung auf höhere Erfahrungen dürfe die Schulung nie dazu führen, den gesunden Menschenverstand zu verlieren oder sich vom gewöhnlichen Leben zu entfremden. – Als Einführung geeignet ist Steiners Buch Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, in dem auch der aus dem Buddhismus bekannte „achtgliedrige Pfad“ in einer modernen Form adaptiert wurde.

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs legte Rudolf Steiner ein soziales Reformkonzept vor, das auf der Grundidee eines dreifach zu differenzierenden gesellschaftlichen Ganzen beruhte. Während der damals dominierende Einheitsstaat die Bereiche der Wirtschaft, der Kultur und des im engeren Sinne Politischen vermischte, hatte Steiner eine andere Intuition: Die bekannten drei Ideale der Französischen Revolution müssten genau diesen drei Sektoren zugeordnet werden: die Freiheit dem Geistesleben, die Gleichheit dem Rechtsleben (dem politischen Leben) und die Brüderlichkeit dem Wirtschaftsleben. In einer erstaunlich umtriebigen Vortragsaktivität in den Jahren 1919 und 1920 versuchte sich Steiner mit seinen Ideen in die damalige politische Neuordnung Deutschlands einzubringen, was allerdings ebenso ohne Erfolg blieb wie ein kurze Zeit später an seine Ideen anknüpfendes Unternehmensnetzwerk mit dem Namen Der kommende Tag AG.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden jedoch zahlreiche Projekte, die sich auf die Dreigliederungsidee und ihre sozialen Implikationen bezogen, unter anderem in Gestalt von Wirtschaftsunternehmen wie Wala oder Sonett oder ethischen Geldinstituten wie der Triodos- oder der GLS-Bank. Auch die Waldorfschulen sowie verschiedene Hochschulprojekte in freier Trägerschaft wurden im Sinne eines selbstverantworteten Geisteslebens gegründet. Der Künstler Joseph Beuys hat sich in seinem Wirken immer wieder auf Steiners Idee von der Dreigliederung bezogen.

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Sein spirituelles Wirken begann Rudolf Steiner zunächst im Rahmen der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, die ihren Hauptsitz im indischen Adyar hatte und von Persönlichkeiten aus England geleitet wurde. Bei den Lehrinhalten war unter anderem die als medial geltende Helena Blavatsky von Bedeutung. Der eher an östlichen Weisheitslehren und am Buddhismus orientierten Theosophie mit teils vormodernen Zügen (z.B. „Meister“-Aussagen) hielt Steiner von Beginn an seine Absicht entgegen, eher an europäisch-christliche Weisheitsquellen anknüpfen zu wollen. 1912/13 kam es zur Abspaltung der inzwischen von Steiner geleiteten Theosophischen Gesellschaft in Deutschland und zur Gründung einer eigenständigen Anthroposophischen Gesellschaft.

U

Über die den physischen Sinnen zugängliche Welt hinausgehend, auf geistige Vorgänge ausgerichtet; Wahrnehmung mit nicht körperlichen Sinnen, die durch einen Schulungsweg entwickelbar sind.

W

Steiner gründete im Jahr 1919 auf Anregung des Stuttgarter Zigarettenfabrikanten Emil Molt für die Kinder seiner Arbeiter die erste Waldorfschule (benannt nach Molts Firma Waldorf-Astoria). In Weiterbildungen für die Lehrkräfte der Schule förderte Steiner eine pädagogische Philosophie, die sich auf ganzheitliche Entwicklung, Kreativität und individualisiertes Lernen konzentriert. Die Waldorfpädagogik gilt heute als einer der erfolgreichsten reformpädagogischen Ansätze und hat sich weltweit ausgebreitet.

Heilmittel- und Kosmetikhersteller, der 1920 durch Ita Wegman und andere Menschen im Umfeld von Rudolf Steiners medizinischen Impulsen gegründet wurde. Der Name bezieht sich auf eine germanische Gottheit und war auch die Bezeichnung für heilkundige Frauen. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt in Arlesheim bei Basel, eine große deutsche Niederlassung befindet sich in Schwäbisch Gmünd. Die von der Weleda hergestellten Heilmittel sind wichtig für die anthroposophische Medizin, darüber hinaus erfreuen sich viele rezeptfreie Mittel bei Verbrauchern und Verbraucherinnen großer Beliebtheit. Im Bereich der zertifizierten Naturkosmetik ist die Weleda Marktführerin in Europa.

siehe auch: Menschenbild.

Z

Zu den rätselhaften Aussagen Rudolf Steiners gehört seine Andeutung, dass es neben der üblichen, für unser Gefühl in Richtung der Zukunft laufenden Zeit auch einen gegenläufigen Zeitstrom gibt. Über diese Erfahrung sagte er in einer autobiografischen Notiz: „Es war die Erkenntnis, dass es eine mit der vorwärtsgehenden interferierende rückwärtsgehende Evolution gibt – die okkult-astrale. Diese Erkenntnis ist die Bedingung für das geistige Schauen.“ (Sogenanntes Dokument von Barr, GA 262, S. 15). 

An anderer Stelle erklärte Steiner die Bedeutung dieser Erfahrung so, dass es für den spirituell Erwachten Situationen gebe, in denen er sich selbst in Form seiner eigenen Zukunft entgegenkomme. Es sei eine absolute Schwellenerfahrung, seine eigene, in viele weitere Verkörperungen hineinragende Zukunft zu wollen. 

Der Regisseur Christopher Nolan hat das Motiv einer gegenläufigen Zeit eindrucksvoll in seinem Film Tenet aufgegriffen, in dem sich die Akteure und Akteurinnen selbst aus der Zukunft entgegenkommen.

Zu Steiners Zeit gebräuchliche Bezeichnung für die Vortragsreihen, die er über Jahre hinweg an vielen Orten in Deutschland und in ganz Europa gehalten hat. Insgesamt hielt Steiner mehrere Hundert solcher Zyklen mit insgesamt rund 6ooo Vorträgen. Viele davon waren öffentlich, manche nur für Mitglieder der anthroposophischen Gesellschaft gedacht. Sie liegen heute sämtlich in Buchform zugänglich vor, da sie seinerzeit stenografisch aufgezeichnet wurden. 

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